Von der allmählichen Verödung ländlicher Räume über die Sicherung künftiger Renten bis zum problematischen Mangel an Fachkräften – die niedrige Geburtenrate in Deutschland muss für viele Probleme als Sündenbock herhalten. Dr. Hannes Weber, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie an der Universität Tübingen, hat eine andere Sicht auf das Thema.
So argumentiert er, dass der Pro-Kopf-Wohlstand steige, wenn die Kinderzahl niedrig ist und die Bevölkerung leicht zurückgehe. Das habe verschiedene Gründe. Zum einen könnten Frauen, die später und weniger Kinder bekommen, in der Regel mehr Zeit und Geld in die eigene Ausbildung investieren. Deshalb gehe eine niedrigere Geburtenrate meist mit höherem Humankapital und damit größerer Produktivität der Elterngeneration einher. Diese entwickle innovative Technik oder bringe die medizinische oder naturwissenschaftliche Forschung voran, was sich im Wohlstand einer Gesellschaft niederschlage. Die ostasiatischen Staaten wie Südkorea und Singapur hätten wahrscheinlich deshalb so enorm wirtschaftlich aufgeholt, so Weber, weil dort die Geburtenrate binnen kurzer Zeit auf europäisches Niveau sank.
Weber beschäftigt sich in einem Interview für die März-Ausgabe der Souverän (1/2017) auch mit den Aspekten Arbeitskräftemangel, Umweltschutz, Flächenverbrauch, Auszehrung des ländlichen Raums und Rentenentwicklung vor dem Hintergrund der aktuellen demografischen Entwicklung. Er gibt Anstöße, das meist mit negativen Vorzeichen diskutierte Thema auch einmal aus anderen Blickwinkeln zu betrachten.